08
Dez

Konflikte werden in Unternehmen und Organisationen oft lange verdrängt, nicht wahrge­nommen, manchmal zelebriert oder sogar zum Bestandteil der eigenen Identi­tät gemacht.

Häufig werden sie nur unter bestimmten Voraussetzungen aktiv bearbeitet

  • wenn gravierende finanzielle Auswirkungen eintreten oder akut drohen,
  • wenn eine Konfliktpartei rechtliche Schritt einleitet oder damit droht oder
  • wenn der Konflikt solche Ausmaße angenommen hat, dass die Arbeitsfähig­keit einzelner Personen oder der Organisation akut gefährdet ist.

Warum ist dies so?

Aus meiner Sicht gibt es hierfür mehrere Erklärungsansätze:

  1. Schon das Wort „Konflikte“ ist negativ belegt. Das Eingeständnis, dass in ei­nem Unternehmen oder in einer Beziehung Konflikte bestehen, wird als Ver­sagen betrachtet. Man hat es nicht geschafft, die Kommunikation und das Arbeitsverhältnis gut und reibungsfrei zu organisieren. Dies kann die die Außenwelt wahrnehmen und eventuell negativ bewerten.
  2. In der Innenwelt kann die Bearbeitung von Konflikten dazu führen, dass man sich mit persönlichen Verhaltensweisen auseinandersetzen muss. Aus der in der Eigenwahrnehmung vermeintlich gut funktionierenden Führungs­kraft oder dem perfekt integrierten Mitarbeiter wird auf einmal ein Mensch mit Empfindlichkeiten, mit schwachen Stellen, mit konkreten Verbesse­rungsansätzen. Eine Beschäftigung mit dem Konflikt, gar eine Lö­sung kann dazu führen, dass liebgewonnene oder schützende Gewohnhei­ten reflektiert werden müssen, dass die eine oder andere Verhaltensweise auch im fortgeschrittenen Alter angepasst werden muss. Veränderung führt zu Unsicherheit. Wer braucht das schon?
  3. Konflikte sind zwar belastend, bringen jedoch einen sekundären Gewinn. Dies ist ähnlich wie bei manchen Patientinnen oder Patienten, die kein wirkli­ches Interesse an der Heilung ihrer Krankheit haben. Konflikte bringen Aufmerksamkeit („Guck mal da hin, die zwei streiten schon wieder“), geben Ge­sprächsstoff, ordnen die Welt in „Gut und Böse“. Jammern gehört in man­chen Gesprächsrunden oder Unternehmen zum guten Ton und ver­schafft eine gemeinsame Leidensidentität.

Wenn ein Unternehmen wartet, bis ein Konflikt die oben beschriebenen Dimensionen er­reicht, hat es bereits

  • viele Arbeitsstunden, in denen ausführlich und leidenschaftlich über den Kon­flikt geredet wird, verloren
  • ineffiziente Prozesse geduldet, weil Menschen im Konflikt sich nicht im notwendi­gen Maße miteinander abstimmen, lieber Doppelarbeiten vornehmen als adäquat miteinander zu reden oder umfassende Regelwerke aufstellen, weil spontane und situationsangepasste Koordination in Konfliktbeziehungen nicht möglich ist.
  • den Kunden dadurch mangelhafte Arbeit abgeliefert und eventuell sogar wich­tige weitere Aufträge verloren
  • Geld ausgegeben für die Kompensation von Ausfallzeiten und Fluktuation, die durch belastende oder unbearbeitete Konflikte entstanden sind.

Das heißt, KONFLIKTE SCHAFFEN MENSCHLICHES LEID UND KOSTEN GELD.

Zwei sehr gute Gründe also, um sich mit Konflikten zu beschäftigen, bevor es eska­liert und bevor es teuer wird. So können zufriedene Mitarbeiter gebunden, Rechtsstreitig­keiten vermieden und begrenzte Ressourcen dort eingesetzt werden, wo sie für das Unternehmen und seine Kunden einen Mehrwert bringen.

Da jedoch, wie oben beschrieben, die Beschäftigung mit Konflikten nicht unbedingt geliebt wird, muss ein Konfliktmanagementsystem einige wichtige Voraussetzungen erfüllen:

Unabhängig von Konflikten einzelner Personen betrachtet es präventiv die Organisa­tion und sucht nach Strukturen, Regelungen und Prozesse, die potentiell konfliktträch­tig sind. Auch Beschwerdemanagementsysteme oder die Einrichtung von be­triebsinternen Ansprechpartnerinnen und –partnern für Konflikte (Konfliktlotsen) können hier hilfreich sein. Schulungen in Konfliktkompetenz für eine Vielzahl von Füh­rungskräften und Mitarbeiter/innen tragen dazu bei, dass Konflikte vermieden, früher erkannt und adäquat bearbeitet werden. Es wird dann vom Unternehmen erwar­tet, sich professionell mit Konflikten zu beschäftigen.

Ist ein Konflikt eingetreten, gilt es zunächst mit Konfliktmoderationen, vertraulichen Coachings oder Mediationen die Situation zu entschärfen. Hier ist es wichtig, dass maximal mögliche Vertraulichkeit gewährt wird, damit niemand sein Gesicht verliert. Insbesondere die Mediation ist hier geeignet, Lösungen in einem gesetzlich geschütz­ten, vertraulichen und strukturiertem Rahmen zu ermöglichen. Darauf aufbau­end können dann Teamworkshops bei Bedarf auch in einem weiteren Umfeld  zur nachhaltigen Befriedung der Situation beitragen.

Entscheidend für den effektiven Umgang mit Konflikten ist jedoch das Eingeständnis, dass sie überall dort entstehen, wo Menschen mit unterschiedlichen Interessen zusam­mentreffen, miteinander in Beziehung treten. Diese Interessen müssen ausgegli­chen und eine für alle tragbare, zukunftsfähige Lösung gefunden werden. Sie sind kein Zeichen für Schwäche. Ganz im Gegenteil, die Erkennung und Bearbei­tung von Konflikten ist ein Zeichen für ein stabiles persönliches Fundament und eine hohes Interesse an produktiven Abläufen.

Wer diesen Sachverhalt anerkennt, wird sich gerne mit den „kleinen“ Konflikten im „Mausstadium“ beschäftigen und nicht warten, bis diese zu Konfliktelefanten gewor­den sind. Er oder sie erkennt die Chance zur Verbesserung von Strukturen und Abläu­fen, zur Anpassung von Verhaltensweisen und wird, wie ich,

ein Herz für Konflikte

entwickeln.