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Apr

„Haben Sie jeden Tag bei Ihrer Arbeit die Gelegenheit, das zu tun, was Sie am besten können?“ Diese Frage beantworten inzwischen immerhin 4 von 10 Arbeitnehmern in Deutschland mit „ja“ (vgl. Gallup). Fünf Jahre zuvor waren es nur 3 Arbeitnehmer, die angaben, sich in ihrem Beruf im Bereich ihrer Stärken und Talente zu bewegen. Also endlich ein Trend in Richtung Stärkenorientierung in der Arbeitswelt? Zu hoffen wäre es! Ist es doch erschreckend genug, dass immer noch die Mehrheit der Arbeitenden tagtäglich Aufgaben verrichtet, die ihnen eigentlich gar nicht liegen und deshalb auch wenig Freude machen.

Und neben aller Statistik berührt es mich noch mehr, wie vielen Menschen ich in meiner Arbeit begegne, die gar nicht benennen können, was sie denn eigentlich am besten können. Ja, die schwäbische Bescheidenheit kenne ich selbst natürlich auch, aber ob es allein daran liegt, dass uns die Antwort auf die Frage nach unseren Stärken so schwer fällt? Steht ein Vorstellungsgespräch vor der Tür, dann machen wir uns fleißig auf die Suche nach passenden Antworten auf die Klassikerfrage nach den Stärken und Schwächen. Aber im Alltag? Wo bleibt da unser Bewusstsein für Stärken?

Vielleicht geht uns das Bewusstsein für Stärken im Alltag gerade deshalb verloren, weil Stärken manchmal so scheinbar alltäglich daher kommen können. An Stärken gedacht, denken wir an die Bestenlisten und Rekorde dieser Welt, an die ganz markanten Charaktere, an Stars und Sternchen. Und stimmt, damit verglichen sind wir an einem ganz normalen Montag im Büro so alles andere als auffallend, herausragend, stark. Verständlich, dass sich Peter, einer meiner Seminarteilnehmer, dagegen so langweilig „einfach nur Durchschnitt“ fand. Keine ganz herausstechenden Ecken und Kanten. Bodenständig, ausgeglichen, solide aufgestellt, kompetent auf vielen Gebieten, ein echter Allrounder. Überall Durchschnitt, nirgends Nummer 1. Kein „Egotaktiker“, keine Selbstdarstellung, unauffällige Bescheidenheit. So ganz normal, wie alle eben. Oder eben doch nicht normal? Doch nicht wie alle? Gerade dieser Allrounder zeichnet ihn aus! Diese Stabilität, mit der er über lange Zeit konstante Leistung bringen kann! Kein kurzes Glanzlicht, das schnell verglüht, sondern Leistung mit langer Brenndauer. Ruhepol und Durchhaltevermögen in einem turbulenten Umfeld. Auch sein Name wird da plötzlich Programm: Peter, der Fels in der Brandung. Und plötzlich kann er seine angebliche Durchschnittlichkeit aus einer anderen Perspektive betrachten. Versöhnung mit dem Alltäglichen. Richtig starker Durchschnitt.